Interview Jana Engels im Interview zu ihrem neuen Roman

Worum geht es in deinem historischen Roman Die Schwestern der Tuchfabrik?

Vordergründig geht es um zwei Schwestern aus vermögendem und angesehenem Hause in Berlin und um die für sie vorbestimmte Zukunft. Sie verbringen einen Sommer im Rheinland bei ihrem entfernten Verwandten Leopold Geldermann und seiner Frau. Onkel Leopold ist Besitzer und Betreiber einer Tuchfabrik. Die Schwestern sollen einige Erfahrungen sammeln, bevor sie heiraten und die Erwartungen der Gesellschaft erfüllen. Eine der Schwestern teilt diesen Lebensentwurf nicht.

Im Hintergrund finden sich sehr viele unterschiedliche gesellschaftliche und geschichtliche Themen. Die politischen Veränderungen in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik. Diese Ereignisse sorgen auch für Verschiebungen innerhalb der Familien. Alte Strukturen sind der Veränderung unterworfen. Altes und Neues wird in Frage gestellt. Emanzipation und die Rolle der Frau in der Gesellschaft sind spannende und wichtige Themen. Ebenso die wirtschaftlichen Herausforderungen während der Inflation und die wachsende Industrialisierung. Nicht zu vergessen die Liebe.

 

Was war die Inspiration dahinter?

Kurz und knapp gesagt waren es der hohe, schmale Schlot einer alten Tuchfabrik und meine Vorliebe Geschichten über Frauen und ihre Herausforderungen im Leben zu schreiben. Dies ist das erste Mal, dass ich ein historisches Setting gewählt habe und beides findet darin wunderbar zusammen.

Erforschung des Rheinlands, der Tuchfabrik und zeitlicher Herausforderungen

Wieso hast du dich für das Rheinland als Ort entschieden?

Ich lebe jetzt seit über zwanzig Jahren im Kreis Euskirchen. Dort hat die Tuchindustrie eine lange Geschichte. Anfang des 20. Jahrhunderts war die Stadt so etwas wie ein Hotspot der Tuchfabriken. Damals ragten viele der langen, schmalen Fabrikschlote aus der Stadt in den Himmel. Der Hauptteil der Bevölkerung war in den Fabriken oder angrenzenden Wirtschaftszweigen beschäftigt. Es bereitete mir eine unbeschreibliche Freude vor Ort in meiner Wahlheimat zu recherchieren und mehr darüber zu erfahren.

 

Wie hast du Recherche für den historischen Hintergrund des Romanes durchgeführt, insbesondere in Bezug auf die Tuchfabrik?

Euskirchen ist nicht nur historisch gut aufgestellt, was die Tuchindustrie betrifft. Im Ortsteil Kuchenheim existiert noch immer eine alte, funktionsfähige Tuchfabrik. Sie ist mittlerweile ein Museum und kann regelmäßig besichtigt werden. Führungen gibt es auch und davon habe ich so einige mitgemacht. Als eine der Mitarbeiterinnen des Museums mich nach einem der vielen Besuche einmal fragte, warum ich das alles so genau wissen möchte und mir so vieles notiere, habe ich ihr von der Recherche zu meinem Buch erzählt. Daraufhin empfahl sie mir zwei wunderbare Lektüren, die ich im Museum erwarb und mit deren Hilfe ich noch tiefer in die Tuchherstellung eintauchen konnte.

 

Welche Herausforderungen gab es bei der Darstellung der Zeitperiode und der Tuchfabrik in deinem Roman?

Wie erwähnt handelt es sich bei diesem Roman um mein erstes historisches Werk. Ich wusste zwar, dass ich viel recherchieren muss, weil ich nicht auf eigene Erfahrungen zurückgreifen kann. Ich hatte jedoch unterschätzt, wie umfangreich und zeitraubend die Recherche trotz aller Freude und Wissbegier werden würde. Die Auswahl und Deutung der vielen unterschiedlichen Quellen erfordert Genauigkeit und Aufmerksamkeit.

Charaktere, Botschaft & Entdeckungen

Wie würdest du die Hauptcharaktere in Die Schwestern der Tuchfabrik beschreiben und was macht sie besonders?

Edith und Ursula scheinen gegensätzlicher nicht sein zu können. Das beginnt schon bei der Wahrnehmung durch das Umfeld und der Stellung in der Familie. Edith ist hübsch, auffallend und das Lieblingskind. In ihrer Gegenwart wird Ursula gern übergangen.

Edith ist eher extrovertiert, stellt vieles in Frage stellt und sich auch gern einmal gegen gesellschaftliche Konventionen. Sie träumt von einer unabhängigen und erfolgreichen Zukunft. Ursula ist eher in sich gekehrt. Sie ist fleißig, klug und folgsam, versucht vor allem ihrer Mutter eine gute Tochter zu sein und wünscht sich bald zu heiraten. Trotzdem ist Edith die Lieblingstochter. So zumindest der Beginn der Geschichte, denn beide machen eine besondere Entwicklung durch. Welche, das wird hier nicht verraten.

 

Gibt es eine bestimmte Botschaft, die du den Lesern durch Die Schwestern der Tuchfabrik vermitteln möchten?

Erlaube dir Träume und halte daran fest, solange sie dir wichtig sind. Kämpfe dafür und trau dich neue Wege zu gehen. Gleichberechtigung hat viele Gesichter. Verstecke deines nicht.

 

Gibt es besondere Gegenstände, die dir während deiner Recherche zu Die Schwestern der Tuchfabrik begegnet sind?

Ja, die gibt es. Da ist beispielsweise ein altes Waffeleisen aus Guss. Dieses wurde auf die durch Kohlen betriebene Kochmaschine gelegt. Den Waffelteig gab man direkt darauf und die Waffeln wurden fertiggebacken. Für mich als Waffelliebhaberin ist das ein besonderes Küchenfundstück. Dann gibt es auch noch eine Waschschüssel und eine Kanne aus bunter Emaille. Sehr modern vor hundert Jahren. Mittlerweile haben die beiden aber etwas Rost angesetzt. Nicht zuletzt hatte ich während meiner intensiven Recherche rund um die Inflation, Hyperinflation und Währungsreform Kontakt mit einem Fachmann für alte Münzen und Banknoten. Von ihm erwarb ich einige besondere Geldscheine. Schließlich noch ein Tuch, dass ich im Tuchfabrikmuseum kaufte.