Interview Autor Volker Dützer im Interview

Worum geht es in deinen Büchern Die Flut und Im Sturm?

Es sind die ersten beiden Bände einer neuen Thrillerserie, die auf der Kanalinsel Alderney spielt. Mittelpunkt ist Steve Cole, ein verdeckter Ermittler, der die Rache eines Mafiabosses fürchten muss, und deshalb auf Alderney unter neuer Identität den Posten des Polizeichefs antritt. Immer wieder spielt seine Vergangenheit eine Rolle, sein Verhältnis zu seiner Freundin Abby Bonham, die in einem Zeugenschutzprogramm steckt, und zu seinem Erzfeind Viktor Sorokin. Vor diesem Hintergrund erzähle ich nach und nach Steves Geschichte. Und natürlich gibt es in jedem Band einen Mordfall, den er aufklären muss. Dabei stehen ihm das kleine Polizeiteam von Alderney zur Seite, der Hund Watson (ab Band 2) und verschiedene Figuren, mit denen ich die Insel bevölkert habe. Ich habe mir mit der Serie einen Traum erfüllt und eine eigene, kleine Welt erschaffen. Die Schauplätze sind real, Handlungen und Charaktere fiktiv. In Band 1 geht es um eine alte Mordserie, die kurz nach Steves Ankunft auf Alderney wieder aufflammt, in Band 2 um einen verschwundenen Ex-Polizisten, einen Lottogewinn und einen Profikiller, der Rache geschworen hat.

Beschreibe Steve Cole in drei Worten.

Ein harter Hund.

Wie bist du auf die Idee gekommen, eine Geschichte auf der Kanalinsel Alderney anzusiedeln, und welche Rolle spielt diese Insel in dem Buch?

Ich wollte eine neue Thrillerserie starten, mit neuen Figuren und einem Setting, das sich von den üblichen Küstenkrimis abhebt. Nichts gegen Ost- und Nordsee, ich liebe die Landschaften und mache oft Urlaub dort. Doch erstens steige ich nie in einen Zug, in dem schon viele andere Autoren sitzen, und zweitens habe ich mal gesagt, ich würde lieber das Telefonbuch von Wanne-Eickel abschreiben als einen Küstenkrimi herauszubringen – was sich aber eben auf Nord- und Ostseekrimis bezog. Ich finde, es gibt einfach zu viele davon. Die Ermittler treten sich an deutschen Küsten mittlerweile auf die Füße, also suchte ich nach einem anderen Schauplatz. Einer meiner älteren Romane (Die Brut), der inzwischen vergriffen ist, spielte auf der fiktiven Ostseeinsel Schelfhorn. Eine Zeit lang spielte ich mit dem Gedanken, die Insel als Grundlage für die neue Serie zu nehmen, aber da ich weiß, wie sehr Leser reale Settings lieben, nahm ich von der Idee Abschied.
In meiner Schublade warten Dutzende Entwürfe und Ideen auf Verwirklichung, darunter auch der Plot zu einem Umweltthriller, in dem es um illegale Atommülltransporte gehen sollte. Bei meinen Recherchen stieß ich damals auf Alderney. Andere Projekte waren aber stets vielversprechender, deshalb blieb es bei einem ersten Entwurf. Wie so oft, verbinden sich Ideen irgendwann miteinander, die auf den ersten Blick gar nichts miteinander zu tun haben, und so war es auch in diesem Fall. Auf der Suche nach einem Schauplatz kam mir Alderney wieder in den Sinn. Ich begann, mich mit den Kanalinseln zu beschäftigen und war von der Vielfalt, den Eigenheiten und Landschaften schnell begeistert. Steve Cole hatte eine Heimat gefunden. Meine Wahl bedeutete zwar zunächst einen Mehraufwand an Recherchen über die englische Polizei und vieles mehr, aber es lohnte sich. Ich hatte plötzlich ein Setting, das international war und doch nahe an der französischen Küste lag. Außerdem weist Alderney einige Besonderheiten auf, es gibt zum Beispiel ein eigenes Parlament. Ich suchte nach einer etwas abgeschiedenen Enklave, einer kleinen Welt, die ich ganz nach meinem Belieben formen konnte. Alderney war perfekt dafür. Trotzdem habe ich mich eng an die Realität gehalten. Die Besetzung des Polizeiteams entspricht (bis auf den Neuzugang Steve Cole) von den Diensträngen her dem Original. Das trifft auch auf das Revier und viele andere Schauplätze zu. Dank Internet und Google maps braucht man heute als Autor nicht mehr unbedingt alle Orte selbst besuchen, über die man schreiben will. Ich kenne mich auf Alderney inzwischen so gut aus, dass ich mich in der Realität dort jederzeit zurechtfinden würde.

Erzähl uns ein bisschen mehr über den Unterweltboss Viktor Sorokin. Mit welcher Art von Kriminellem haben wir es hier zu tun?

Jersey und Guernsey – die Nachbarinseln von Alderney – sind Europas größter Tummelplatz für Briefkastenfirmen. In der Serie ist Viktor Sorokin ein Londoner Unterweltboss, der die Kanalinseln zur Geldwäsche benutzt. Unterstützt wird er dabei von John Baxter, einer Art fiktivem Inselkönig von Alderney und ständigem Bewerber um das Amt des Präsidenten der Alderney States – und damit Steves direkter Gegenspieler. Dessen etwas träger Vorgänger Bill Henderson ließ Baxter gewähren, doch mit dem neuen Chief haben sie kein leichtes Spiel. Die beiden machen Steve das Leben schwer, weil er sich nicht korrumpieren lässt. Die Dauerfehde bietet jede Menge Konfliktstoff, der immer wieder den Hintergrund der Geschichten füllt. Sorokin macht Steve für den Tod seiner Geliebten Natasha Gradenko verantwortlich und hat ihm eine perfide Art der Rache geschworen, über die ich hier nicht mehr verraten will.

Du bist schon seit einer ganzen Weile Krimi-Autor. Könntest du dir auch vorstellen, mal in ein anderes Genre zu schnuppern (z.B. Fantasy oder Romance)? Was fasziniert dich am Krimi schreiben so sehr?

Das Krimigenre ist nicht das einzige, in dem ich mich „herumtreibe“. Ich habe eine zeitgeschichtliche Romantrilogie geschrieben, die in der Zeit von 1939 bis 1964 spielt, außerdem jede Menge Thriller. Meine Wurzeln liegen im Horrorgenre und in Sciencethrillern, wie sie Dean Koontz schreibt. Mein erster Roman für den dp-Verlag Seeleneis war eine Rückkehr zu diesen Anfängen. Die erste Serienfigur, die ich ersann, war der Privatdetektiv Jan Stettner, der es wider Willen immer wieder mit paranormalen Begebenheiten zu tun bekommt. Dass ich gerne Elemente des Horrorfilms in meine Geschichten einbaue, ist wohl nicht zu übersehen. Ich mag nun mal alte Spukhäuser, gruselige Schauplätze und quietschende Türen. Im Lauf der Jahre bin ich jedoch davon abgerückt, übersinnliche Elemente in meine Geschichten einzubauen. Es handelt sich dabei eher um ein Nischengenre. Die breite Leserschaft ist daran weniger interessiert.
Für mich sind die Figuren einer Geschichte immer das Allerwichtigste. Spannung entsteht dadurch, dass ich sie an ihren Grenzen bringe und sie dazu anleite, diese Grenzen zu überschreiten. Dadurch verändern und wachsen die Charaktere. Erst in einer extremen Situation zeigt sich wirklich, was in einer Figur steckt, und dazu eignet sich das Krimi/Thrillergenre natürlich bestens.

Hast du Tipps für Schreibende, die sich mal in das Krimi-Genre wagen wollen? Wo holst du dir deine Inspiration?

Inzwischen findet man im Internet unzählige Seiten mit Tipps, wie man einen Krimiplot aufbaut oder Figuren entwickelt. Ich wünschte, in meinen Anfangszeiten als Autor hätte es diese unschätzbaren Hilfen auch schon gegeben. Ich kann nur jedem raten, das Verbrechen, das der Krimihandlung zugrunde liegt, sehr, sehr sorgfältig zu planen. Es gibt eine Story, die man dem Leser zeigt, und eine zweite, von der er nichts weiß. Man sollte als Autor immer genau wissen, was im Hintergrund passiert.
Wenn ich einen Tipp zum eigentlichen Schreiben geben soll, dann vielleicht diesen: Wenn ich schreibe, tue ich nichts anderes. Ich bewerte nicht und lektoriere nicht gleichzeitig. Erst wenn ich das Geschriebene überarbeite, achte ich darauf, ob mich die Geschichte selbst fesselt. Verliere ich die Lust, weiß ich, dass etwas nicht stimmt. Es ist genauso, als würde ich ein Buch lesen. Wenn es mich nicht packt, klappe ich es zu und das wars dann. So verfahre ich auch mit meinen eigenen Geschichten. Alles, was mir langweilig erscheint, fliegt gnadenlos raus. Das macht die Handlung am Ende sehr dicht.
Die Inspiration dagegen ist eine launische Diva. Wenn ich sie am meisten brauche, ziert sie sich in der Regel. Manchmal bleibt mir nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis sie sich die Ehre gibt. Man kann Ideen nicht erzwingen. Wenn’s mal nicht läuft, mache ich etwas ganz anderes. Das Unterbewusstsein arbeitet weiter. Irgendwann klopft es an und hat einen Vorschlag – meistens dann, wenn ich keinen Stift zur Hand habe.

Hast du eine Krimi-Empfehlung parat? Welcher Krimi konnte dich in letzter Zeit besonders fesseln?

In letzter Zeit habe ich meine Liebe zu englischen Krimis entdeckt. Es gibt da eine Fernsehserie namens Grantchester, die in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts spielt. Ein Pfarrer und ein Kriminalinspector spielen die Hauptrollen. Wunderbare Figuren, dargestellt von exzellenten Schauspielern.

Dürfen wir uns auf weitere Fälle von Steve Cole freuen?

Ich hoffe sehr, dass die Serie ein Erfolg wird, denn die Figuren sind mir schon jetzt ans Herz gewachsen. Am dritten Band arbeite ich gerade, weitere Ideen für Fortsetzungen liegen schon in meiner Schublade.