Leseprobe Verführ mich in Paris

Prolog

„Nun, Lucas, was halten Sie von dieser fantastischen Arbeit? Ich bin sehr interessiert an Ihrer völlig unvoreingenommenen Meinung, ihr Merchands habt immer so fundierte, aber auch frische Meinungen zu großen Werken wie diesem. Ein herausragendes Stück des Kubismus des neunzehnten Jahrhunderts, nicht wahr?“

Lucas zwang sich zu einem Lächeln. „Es tut mir leid, Sie zu korrigieren, Madame Laurent“, sagte er freundlich. „Aber tatsächlich ist Modiglianis Kunst keiner der üblichen zeitgenössischen Strömungen des vorletzten Jahrhunderts zuzuordnen. Sie enthält kubistische Elemente, aber auch symbolistische und expressionistische.“

„Ach, wirklich?“ Die Dame Ende fünfzig rückte ihre Designerbrille zurecht, ein grässlich buntes Ding mit riesigen Gläsern, mit der sie gut in diese exzentrische Gesellschaft hineinpasste. „Spannend, sehr spannend. Aber natürlich habe ich von Sylvies Sohn nicht weniger erwartet als diese Sachkenntnis, immerhin haben Sie doch schon einen guten Teil Ihres Kunststudiums abgeschlossen, richtig?“

Er nickte lächelnd, wie man es von ihm erwartete. „Das vierte Semester geht zu Ende, Madame.“

„Schön, sehr schön. Da haben Sie mit Ihren zwanzig Jahren noch einiges vor sich, Lucas!“

Oh, wenn sie nur wüsste, wie viel noch vor ihm lag. Drei Jahre an der Sorbonne. Hunderte Tage wie dieser. Hunderte Ausstellungen. Hunderte dieser lästigen Gespräche. Was würde er nicht dafür geben, in diesem Moment in Ruhe auf seinem Sofa zu sitzen und das Basketballspiel zu schauen. Aber leider war er ein Merchand.

Er sah an dem mitten im Raum ausgestellten Modigliani-Landschaftsgemälde vorbei – zum Glück hatte Madame Laurent ihn nicht vor einem der Dutzenden Akte angehalten, die die Wände der alten Fabrikhalle schmückten – und ließ den Blick über die Menge schweifen. Die gesamte Kunstszene von Paris war hier versammelt. Jeder der anwesenden Nicht-Laien hatte schon einmal mit ihm zu Abend gegessen. Seine Mutter gab viel auf ihre weitreichenden Kontakte.

Um genau zu sein, gab sie auf nichts mehr.

Er entdeckte sie beim Direktor der Location. Mit einem Sektglas in der einen und großen Gesten der anderen Hand sprach Sylvie Merchand auf ihn ein, und als sie zufällig seinen Blick kreuzte, lächelte sie so strahlend wie immer, wenn sie gerade einen guten Deal gemacht hatte.

Er schluckte gegen den Kloß in seinem Hals an und nickte ihr kurz zu, während sein Herzschlag sich sofort beschleunigte.

Heute sage ich es ihr. Wirklich.

Sein innerer Schweinehund setzte gerade zu einer amüsierten, stummen Erwiderung an, da betrat ein neuer Gast die Halle und Lucas hätte nicht erleichterter sein können.

„… persönlich teile ich ja vor allem die Leidenschaft Ihrer Mutter für geschmackvolle Akte, Lucas. Aber bitte, erläutern Sie mir doch die Abweichungen vom Kubismus in diesem Gemälde und …“

„Pardon, Madame Laurent“, unterbrach er seine reizende Gesprächspartnerin. „Da kommt eine Freundin von mir, ich muss sie begrüßen.“

„Oh, natürlich, junge Liebe braucht Zeit und Aufmerksamkeit!“

Dieser Satz entlockte ihm das erste leise Lachen seit zwei Stunden. Élian würde erst ihn, dann die Knalltüte im pinken Kleid da vorne und dann noch mal ihn einen Kopf kürzer machen, würden sie es auch nur in Betracht ziehen, etwas miteinander anzufangen. Und dann würde er Mathéo dieselbe Freude gewähren. Wie große Brüder eben so sind, wenn es um die kleine Schwester geht.

„Bonsoir, Mademoiselle“, begrüßte er seine beste Freundin Louanne grinsend und blieb mit verschränkten Armen vor ihr stehen. „Muss ich an der Schleife da ziehen, um dieses Knallbonbon zu entschärfen?“

Lou klimperte mit den langen Wimpern und drehte sich einmal um sich selbst. Dabei glitzerte der eng anliegende Stoff auch noch. „Um mich zu entschärfen, musst du dir was Besseres einfallen lassen. Aber ich bestehe darauf, dass du dabei diesen heißen Anzug trägst.“

Vielsagend hob er die Augenbrauen und zog seine Krawatte zurecht. „Königsblau ist einfach genau meine Farbe, den muss mir jemand mit sehr gutem Geschmack geschenkt haben.“

„Oh ja.“ Lou strich sich grinsend die langen, hellbraunen Locken zurück. „Du musst schließlich später meine Mitspielerinnen ablenken.“

Schlagartig wich seine Freude über ihr Erscheinen einem leichten Unbehagen. „Keine Chance, Lou. Ich gehe nicht mehr mit dir ins Casino, so ein Hausverbot brauche ich nicht noch mal!“

„Hey, sag das nicht zu früh! Du hast gesagt, du machst alles, wenn ich heute mit zu der Ausstellung komme.“

„Alles, nur das nicht.“

„Komm schon, das wird lustig!“

„Ansichtssache. Im Gegensatz zu dir verliere ich da dauernd.“

„Spaß hast du trotzdem.“

„Ja, aber nein.“

„Oh Mann, Lucas! Sei kein Spielverderber.“

„Du hast ‚Ja, Lucas, halt mich vom Spielen ab‘ irgendwie falsch ausgesprochen.“

Missmutig pustete Lou sich eine Strähne aus dem Gesicht und verdrehte die Augen. „Na gut, ich diskutiere später mit dir weiter, wenn du ein bisschen Blubberwasser getrunken hast.“ Prompt nahm sie einem der vorbeilaufenden Kellner zwei Gläser vom Tablett und reichte ihm eines. „Prost! Auf den mutigen Lucas. Warst du heute schon mutig?“

Themenwechsel konnte sie.

Obwohl Lucas das prickelnde Zeug absolut nicht mochte, nahm er einen großen Schluck. Damit war die lächerliche Flöte auch schon wieder leer.

„Das nehme ich als Nein“, stellte Lou fest und tauschte galant ihr volles gegen sein leeres Glas.

„Wie soll ich es ihr denn bitte sagen?“, fragte er tonlos. „Soll ich einfach zu ihr gehen und verkünden: Hey, Maman, ich breche mein Studium ab?“

„Ja. Klingt doch simpel.“

Sie wusste genau, dass es das nicht war. Nicht für einen Merchand wie ihn. Seit seiner Geburt hatte festgestanden, dass es für ihn nur diesen Weg gab, nur dieses Studium. Ein ums andere Mal hatte ein betuchter Sammler an ihrem Esstisch gescherzt, er habe das künstlerische Wissen schon mit der Muttermilch aufgesogen.

Leider war da was dran. Seit der Grundschule war er bei beinahe jeder Ausstellung dabei, und er hatte die Zeit lange genossen. Die Zeit mit seinen Eltern, mit der berühmten Galeristin und dem gefeierten Künstler. Die Zeit, die zu Hause fehlte, an den Feier- oder Nachmittagen, die er und Julie so oft bei Lou und Élian verbracht hatten.

Abwesend schaute er zu seiner jüngeren Schwester hinüber. Sie stand bei einer kleinen Gruppe und unterhielt sich angeregt mit zwei jungen Männern im Anzug. Lucas setzte eine gedankliche Notiz, diese Kerle genauer im Auge zu behalten. Aber Julie wirkte glücklich. Sie ging in dieser Szene auf, stürzte sich voller Elan und Spaß in neue Projekte. Er hoffte, dass sie sich das bewahrte.

„Mon Dieu.“ Lou schlug eine Hand vor den Mund. „Wow. Wenn man hier reinkommt, sieht man ja erst die Akte vor lauter Nacktheit nicht. Ich weiß, ich wollte unbedingt wissen, über welche Bilder du dich in den letzten Tagen so aufgeregt hast, aber … meine Güte.“

Abwesend hob er eine Schulter. „So schlimm sind sie nicht. Modigliani hatte schon ein gutes Auge für den weiblichen Ausdruck von Ekstase und Sinnlichkeit. Akte sind nur nicht jedermanns Sache.“

Lou stieß ihm den Ellbogen in die Seite. „Es ist gruselig, wenn du so redest, Lucas. Den weiblichen Ausdruck von Ekstase.“

Lucas seufzte und rieb sich über die Stirn. „Pardon. Ich versuche, es abzustellen. Ist nur nicht so leicht. Da ist all dieses Wissen in meinem Kopf und … es geht nicht weg.“

„Hey, schon gut.“ Jetzt rieb Lou deutlich sanfter über die Stelle, die sie gerade noch malträtiert hatte. „Das weiß ich doch, Lucas. Mach dir keine Gedanken.“

Sie hatte leicht reden. Denn sein Kopf war nun mal voll damit. Mit Informationen, die er einfach nicht vergessen konnte, wie verrückt es ihn auch machte. Mit Wissen, das er in den letzten Jahren zu hassen gelernt hatte.

Denn er wollte es nicht mehr. Er wollte nicht mehr etwas tun, das ihn nicht erfüllte, nur um seine Mutter glücklich zu machen. Er wollte etwas anderes.

„Oh-oh, das ist das Grübelgesicht. Nicht gut.“ Lou hakte sich bei ihm unter und zog ihn weiter. Zu spät bemerkte er, wohin genau, da schaute seine Mutter ihnen schon entgegen.

„Lou, was soll das?“

„Dein Gewissen hat mir befohlen, dafür zu sorgen, dass du das heute endlich hinter dich bringst.“

„Mein Gewissen ist gefeuert.“

„Dein Gewissen hat den dicksten Bonus von allen verdient, damit es die Hälfte an mich weiterreichen kann. Und jetzt schön lächeln, sonst wirkt der Anzug nicht so gut.“

Er unterdrückte ein Stöhnen, aber sie hatte ja recht. Er schob es schon viel zu lange auf. Bald würden die Fristen ablaufen. Er bedeutete Lou zu warten und ging hinüber zu seiner Mutter.

„Lucas, Schatz.“ Seine Mutter legte ihm eine Hand auf den freien Arm und deutete mit der anderen zu dem neben ihr stehenden Direktor. „Direktor Amérin und ich sprachen gerade von dir. Ich habe ihm berichtet, wie gern du das nächste Praktikum unter seinen Fittichen absolvieren würdest, und er freut sich, dir diese einmalige Chance zu ermöglichen.“

Plötzlich fühlten sich ihre Finger selbst durch den Anzug eisig kalt an. Fantastisch, jetzt plante sie auch noch seine Praktika für ihn. Er schluckte gegen die Trockenheit in seiner Kehle an, aber sie wollte nicht verschwinden. Also räusperte er sich. „Das ist sehr freundlich, Monsieur Amérin“, erwiderte er beherrscht, fixierte aber seine Mutter. „Maman, kann ich dich kurz allein sprechen?“

„Oh, gleich, Lucas. Wir müssen erst noch die Eckdaten für dieses Praktikum besprechen.“

„Nein, müsst ihr nicht.“

Sowohl seine Mutter als auch der Direktor hoben erstaunt die Augenbrauen, aber Lou nickte ihm aufmunternd zu. Vermutlich war es ohnehin sicherer, wenn auch andere es hörten. Also holte er tief Luft und sprach weiter: „Ich werde das nächste Praktikum nicht antreten.“

Sylvie Merchand lachte gekünstelt auf und nahm einen Schluck Sekt. „Lucas, rede keinen Unsinn.“

„Das ist kein Unsinn. Ich werde das Kunststudium nicht fortsetzen.“

Bei diesen Worten kam Bewegung in seine Mutter. Schlagartig stand sie aufrechter, knallte ihr Glas etwas zu heftig auf einen Stehtisch und zog ihn am Arm zwei Schritte zur Seite.

„Lucas, darüber macht man keine Witze“, zischte sie.

Ein Teil von ihm fühlte sich klein unter ihrem harten Blick, wollte die Worte zurücknehmen und weiter dem einfachen, vorgezeichneten Weg folgen.

Aber seitdem er dieses verfluchte Studium begonnen hatte, war dieser Wunsch immer mehr verblasst.

Er hob das Kinn. „Das ist kein Witz. Ich …“

„Natürlich ist das ein Witz!“, unterbrach seine Mutter ihn, winkte lächelnd jemandem hinter ihm zu und fixierte ihn dann wieder. „Du hast nichts als Bestnoten und mit meinen Kontakten stehen dir alle Türen offen. In ein paar Jahren wirst du deinen Master machen und dann ist alles gut.“

„Alles gut, ja“, wiederholte er tonlos. „Für dich, Maman. Nicht für mich.“

Sie runzelte die Stirn. „Was, in aller Welt, redest du da?“

Er ballte die Fäuste. Er liebte seine Mutter, sehr, aber wo ihre Sturheit und Überzeugungskraft sie in ihrem Beruf weiterbrachte, verzweifelte er selbst nun nicht zum ersten Mal daran. „Ich meine es so, Maman. Ich werde das Kunststudium abbrechen und ein anderes beginnen.“

„Ach ja? Und welches?“

Kurz zögerte er. Doch er erkannte ehrliches Interesse in ihren Augen. Vielleicht würde dieses Gespräch nicht so schlimm werden wie befürchtet. „Architektur“, antwortete er. Es fühlte sich so gut an, es auszusprechen, dass ein befreites Lächeln auf seine Lippen glitt. „In einem meiner Wahlmodule im letzten Jahr waren so viele interessante architektonische Aspekte dabei, dass ich verstanden habe, was ich wirklich machen möchte, Maman. Also werde ich …“

„Auf keinen Fall.“ Sylvie Merchand schnaubte, als sie ihm einfach das Wort abschnitt. „Bitte, Lucas. Du bist ein Merchand. Wir folgen unserer künstlerischen Leidenschaft in der siebten Generation. Dieser Abbruch wird nicht passieren, solange ich hier noch etwas zu sagen habe. Nimm dir ein paar Tage frei und überdenke das noch mal, das Wissen um das Praktikum wird dir sicher dabei helfen.“

Ja, so viel zu nicht so schlimm.

Die Enttäuschung bohrte sich wie kleine Eissplitter in seine Brust. Er ballte die Fäuste und holte einmal tief Luft. „Nein, Maman. Das ist es ja gerade: Du hast dazu nichts mehr zu sagen. Ich habe lange darüber nachgedacht und meine Entscheidung getroffen.“

Wieder schnaubte sie. „Eine tolle Entscheidung ist das, in der du all die Möglichkeiten auf eine glorreiche Zukunft einfach außer Acht lässt!“

Er presste die Lippen aufeinander. Nein, dachte er. Wenn, dann habe ich bisher meine Möglichkeiten außer Acht gelassen.

„Hast du zumindest einen nicht völlig an den Haaren herbeigezogenen Grund für diesen plötzlichen Sinneswandel?“, fragte sie kalt.

Und er begriff, dass sie es nie verstehen würde.

„Der Grund interessiert dich doch gar nicht“, stellte er somit bitter fest, und sie hob wissend die Augenbrauen.

„Aha. Nun, Lucas, wenn dir eine vernünftige Begründung einfällt, teile sie mir doch bitte mit.“ Kopfschüttelnd machte Sylvie einen Schritt zurück in Richtung des Direktors, hielt noch einmal inne und sagte: „Ich werde dir das Praktikum dennoch beschaffen. Du kannst es in ein paar Monaten immer noch annehmen, wenn du einsiehst, dass es keinen Grund für diesen Abbruch gibt, und wieder zur Vernunft gekommen bist. Jetzt entschuldige mich, die Kunst wartet.“

„Ja“, erwiderte er dumpf. „Die wartet immer.“

Seine Mutter schenkte ihm noch einen kalten Blick. Darin lag dieselbe Enttäuschung, die auch er fühlte. Wie ähnlich sie sich doch waren. Ha, ha.

Wo ist das Blubberwasser, wenn man es mal …

Er hatte den Gedanken noch nicht beendet, da tauchte ein Sektglas vor ihm auf. Lou wartete, bis er es geext hatte, ehe sie mit einem schiefen Lächeln fragte: „Wie lief es?“

Er schluckte, schüttelte sich kurz von der ganzen Kohlensäure und hob die Schultern. „Wie erwartet.“

Lou nickte. „Und was machen wir jetzt?“

Er tippte unruhig mit dem Fuß auf den Boden, denn er spürte in sich diese wirre Mischung aus Enttäuschung, Unruhe und dieser seltsamen Kälte, die sich immer weiter ausbreitete und es ihm erstaunlich leicht machte, die nächsten Sätze zu sprechen.

„Jetzt fahren wir zu mir, damit ich den ganzen Mist unterschreiben und mich morgen neu einschreiben kann, um danach nie wieder eine dämliche Vernissage besuchen zu müssen“, sagte er mit einem schiefen Lächeln. „Und dann suchen wir uns ein verdammtes Casino.“

Kapitel 1

Zwölf Jahre später

„Zu spät? Was soll das heißen? Élian, du kommst nie zu spät!“

„Ich weiß. Tut mir leid, hier kam … etwas dazwischen.“

Grinsend stieg Lucas die letzten Stufen des Metro-Ausgangs hoch und nahm das Handy vom einen ans andere Ohr. Er konnte sich gut vorstellen, was bei seinem besten Freund dazwischengekommen war: Eine blonde Halbfranzösin namens Jeanne, die er nun prompt im Hintergrund rufen hörte.

„Das klingt ja nicht, als hättet ihr es schon aus dem Schlafzimmer rausgeschafft“, stellte er fest und wich einem rennenden Jugendlichen aus, der wohl gerade seine Metro verpasste. „Ist in den nächsten Minuten damit zu rechnen oder schmeißt ihr einfach beide eure Abendpläne über den Haufen? Ich dachte, du schleifst mich heute zu dieser ominösen Veranstaltung mit, weil Jeanne ein Interview hat.“

„Ja, hat sie auch, wir …“ Ein schrilles Élian, mach schon, los, los, los! unterbrach die folgende Erklärung.

Betont schockiert sog Lucas die kalte Winterluft ein. „Nein. Sag, dass das nicht wahr ist. Jeanne ist auch zu spät? Als Deutsche? Puh, ich weiß nicht, ob ich sie je wieder ernstnehmen kann.“

„Halbdeutsch. Aber freu dich mal nicht zu früh“, erwiderte Élian, dann erklangen ein Rumps und das Klappern von Schlüsseln. „Ich bin unterwegs. Such einfach schon nach Francesca.“

„Ach, die kommt auch? Wir …“

Die Verbindung brach ab.

Stirnrunzelnd nahm Lucas das Handy runter und schaute auf das Display, auf dem nun wieder sein Chat mit Élian erschien.

 

É. Dupont: Du musst morgen mit mir zu einer Veranstaltung kommen, Jeannes Interview wurde vorverlegt. 18 Uhr, Metrostation Temple, hinter der Kirche Sainte-Élisabeth.

 

Hm. Vielleicht hätte er doch noch einmal genauer nachfragen sollen, anstatt nur mit einem Daumen hoch zu antworten. Aber gestern war er zum einen viel zu begeistert gewesen, dass Élian sich endlich auch wieder an den Pariser Metrostationen orientierte, zum anderen hatte ein Fachplaner eines anderen Architekturbüros falsche Daten gesendet und ohnehin war auf der Baustelle des Samaritaine gerade die Hölle los. Nach der Nachtschicht gestern hatte Lucas sich auf einen entspannten Abend mit Élian gefreut. Wenn Franci auch kam, war diese Veranstaltung allerdings vielleicht doch größer als gedacht …

Aber gut. Er wartete lieber irgendwo drinnen mit Franci als bei dem schneidenden Novemberwind mitten auf der Straße. Hierher in das 19. Arrondissement bräuchte Élian von seiner Wohnung aus ohnehin nur eine Viertelstunde.

Er schob das Handy in die Hosentasche, klappte den Kragen seines Mantels hoch und bog in die Rue du Temple ein. Sein Atem stieg in weißen Wölkchen vor ihm auf, so kalt war es, aber noch hatte es nicht geschneit. Das hinderte die Pariser natürlich nicht daran, schon Ende November Unmengen an leuchtender Weihnachtsdekoration in alle Straßen zu hängen. Als könnten sie mit an den Fassaden hochkletternden Weihnachtsmännern und blinkenden Sternen und Schneeflocken den richtigen Schnee anlocken. Lucas wären weiße Weihnachten nur recht, und in diesem Jahr standen die Chancen darauf auch gut.

Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als er an die legendäre Schneeballschlacht zurückdachte, die er sich vor fünfzehn Jahren mit den drei Dupont-Geschwistern geliefert hatte. Im Nachhinein betrachtet hatten Mathéo und er damals vielleicht etwas übertrieben und es war gerechtfertigt, dass Élian und Lou Schnee in jeglicher Form seitdem nicht mehr allzu begeistert gegenüberstanden. Allerdings könnte sich das in diesem Jahr zumindest bei Élian auch wieder ändern – immerhin hatte Jeanne ihn seit ihrer Ankunft vor drei Monaten auch aus seiner mürrischen Arbeitsphase rausgeholt.

Zwei Wochen wohnten die beiden jetzt schon zusammen. Da Jeanne eigentlich nicht vorgehabt hatte, für immer in Paris zu bleiben, war sie zuvor bei ihrer Kindheitsfreundin Francesca untergekommen. Eben diese Freundin entdeckte Lucas nun ein Stück die Straße runter. Inmitten einer Menge aus schwarzen und braunen Wintermänteln stach sie mit ihrem königsblauen und der gleichfarbigen Baskenmütze deutlich hervor. Dieses Outfit hätte auch Lou für sie aussuchen können.

Zögernd verlangsamte Lucas seine Schritte. Das waren echt viele Leute, die da auf dem Bürgersteig vor einer breiten Fensterfront zusammenstanden, und trotz der größtenteils farblich schlichten Jacken wirkten sie alle so, als hätte er seine Sneakers besser zu Hause gelassen.

Gerade spielt er mit dem Gedanken, doch noch an der Metro auf Élian zu warten und ihm die Krawatte zu klauen, die er sicher tragen würde – immerhin hatte er ihn nicht vorgewarnt –, da schaute aber Franci auf und entdeckte ihn. Erleichtert lächelte sie, sagte noch etwas zu ihrem Gesprächspartner und kam dann auf ihn zu.

„Bonsoir, Lucas! Wie schön, dass du es auch geschafft hast“, begrüßte sie ihn strahlend.

„Bonsoir“, erwiderte er, beugte sich zu ihr runter und gab ihr zwei Küsschen auf die vor Kälte geröteten Wangen. „Es … freut mich auch.“ Denke ich, fügte er in Gedanken hinzu, machte einen Schritt zurück und musterte sie. Unter dem Mantel ragte der Saum eines weißen Kleides hervor, dazu trug sie mörderisch hohe Schuhe und große Ohrringe. Sie passte zu dieser feinen Gesellschaft. „Allerdings muss ich wohl den Türsteher bestechen, um so underdressed da reinzukommen, gerade neben dir. Du siehst fantastisch aus, Franci.“

„Danke sehr.“ Sie hob einen Mundwinkel und pustete sich den dunklen Pony aus der Stirn, während sie ebenfalls an ihm hinuntersah. „Das gebe ich gern zurück. Mit dieser Aktentasche könntest du jedenfalls Élian als Geschäftsmann nacheifern.“

Er lachte auf und klopfte auf die braune Ledertasche, die an dem breiten Riemen über seiner Schulter hing. „Notiz an mich: neue Tasche kaufen. Mich kriegen keine zehn Pferde jeden Tag in einen Anzug.“

„Äußerst schade“, betonte Franci lächelnd. „Also kommst du gerade nicht von einem sonntäglichen Geschäftsessen?“

„Nein. Ich musste noch ein paar Pläne zur Baustelle bringen, damit die Arbeit am Montag weitergehen kann. Dem Fachplaner ist der Fehler erst vor einer Stunde aufgefallen, also habe ich das lieber heute gemacht, als morgen um vier aufstehen zu müssen.“ Denn dann würde er es nicht mehr zum Joggen schaffen, setzte er in Gedanken nach.

„Ach ja! Jeanne hat mir erzählt, dass du am Umbau des Samaritaine-Kaufhauses an der Seine mitarbeitest. Ich liebe diese alte Fassade.“

Lucas seufzte so gequält, wie er nur konnte. „Ja, das ist bei mir inzwischen tagesabhängig. Heute hasse ich sie, weil der Denkmalschutz die Bauplanung nicht gerade leichter macht, morgen werde ich sie hoffentlich wieder lieben.“

„Ist gut. Gib mir ein Zeichen, wenn du wieder mit mir davon schwärmen kannst.“

„Wird gemacht“, versprach er ernsthaft und erhielt ein Nicken zur Antwort.

Der kalte Wind pfiff durch die Straße, während sie so beieinanderstanden. Sie hatten sich bisher erst zweimal gesehen, einmal in einer Bar nicht weit von hier und dann nach Jeannes Einzug bei Élian, jeweils mit Lou und ihren besten Freunden. Unter sich gewesen waren sie noch nie, aber er mochte Franci und sie würden sich die Zeit schon vertreiben.

„Élian verspätet sich übrigens. Ihm und Jeanne ist etwas dazwischengekommen“, wechselte er das Thema.

„Ah ja.“ Franci hob vielsagend die Augenbrauen. „Das will schon was heißen, wenn Jeanne nicht pünktlich ist. Aber vermutlich kommt sie trotzdem noch rechtzeitig zu ihrem Termin, das ist so etwas wie ihre Superkraft. Wollen wir schon mal reingehen?“ Sie schob demonstrativ die Hände in die Manteltaschen und nickte in Richtung der versammelten Menschen. „Da läuft die Heizung.“

„Heizung klingt toll.“

Franci nickte, wandte sich um und ging zurück zu der Menge.

Langsam folgte Lucas ihr, und während er die Szenerie in sich aufnahm, regte sich ein schlechtes Gefühl in seinem Magen. Hier draußen vor der Fensterfront standen etwa zwanzig Männer und Frauen, die meisten mit einem Glas Wein in der Hand und dicken Ringen an den Fingern. Ausnahmslos jeder, an dem sie vorbeikamen, grüßte Franci mit dem typischen aufgesetzten Lächeln. Sie nickte freundlich in die Runde und drängte weiter zur offenstehenden Tür, hinter der sie in einem lang gestreckten Raum fünf weitere Gäste erwarteten – zusammen mit seiner schlimmsten Befürchtung.

Auch wenn sie die Kälte draußen zurückließen, gefror ihm sein Lächeln. Dicht hinter dem Eingang blieb er stehen und hielt sich mühsam von einem lauten Fluch ab. Der hätte jetzt gutgetan. Fluchen tat immer gut. „Sag mal, Franci. Wie stehst du so zu Auftragskillern, hast du da eine Nummer für mich?“

Irritiert hielt Franci inne und hob die Augenbrauen. „Ich fürchte, da muss ich passen.“

„Ärgerlich. Dann muss ich mich wohl selbst um Élian kümmern“, stellte Lucas ernst fest und warf einen Blick zurück nach draußen. Gott, hoffentlich erkannte ihn nur niemand hier. „Ich Trottel hätte einfach nachfragen sollen“, murmelte er unzufrieden.

Aus dem Augenwinkel erkannte er, dass seine Begleiterin ihn nun eher unsicher als irritiert musterte, doch er war noch voll damit beschäftigt, sich für seine Nachlässigkeit zu verfluchen. Natürlich nahm er Élian nicht übel, dass er sich nicht allein so einen Blödsinn angucken wollte, von dem er noch nicht einmal eine Ahnung hatte. Aber warum, um Himmels willen, musste er dann ausgerechnet ihn hierherlocken?

Deshalb hatte er also in seiner Nachricht nur von einer Veranstaltung gesprochen. Schlauer Mistkerl.

„Und das auch noch am Sonntag“, murrte er. „Er weiß doch, dass das der Tag vor dem Montag ist.“

Franci räusperte sich. „Nun ja, Élian vergisst auch dauernd, Feierabend zu machen, da kann man die Wochentage schon mal durcheinanderwerfen.“

„Hm.“

„Du wirkst nicht begeistert?“

Er sah zu ihr, lachte freudlos und deutete zu der langen Wand ihnen gegenüber. „Wir sind auf einer Vernissage. Wer wäre da begeistert? Inmitten von schnöseligen Besuchern, die zu viel Geld für ein bisschen hingeklatschte Farbe ausgeben? Davon hab ich echt schon genug gesehen.“

Franci folgte seiner Geste mit dem Blick zu den großflächigen Leinwänden, die beleuchtet von hellen Spots dort ausgestellt waren. Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Doch bevor sie zum Sprechen kam, riss etwas anderes Lucas‘ Aufmerksamkeit an sich.

Jemand tippte ihn an.

Verdammt.

„Monsieur Merchand? Lucas, sind Sie es wirklich?“

Gut, das hier war seine schlimmste Befürchtung. Als er sich umdrehte, stand er vor einer Frau Mitte sechzig mit einer gewaltigen Designerbrille, die ihre Augen wie die beste Lupe vergrößerte, und einem Strahlen, als hätte sie ihr lang vermisstes Gebiss wiedergefunden. „Madame Laurent“, grüßte er und zwang die eingefrorene Freundlichkeit zurück auf seine Züge.

„Lucas, nein, wie lang ist das her! Sind es schon mehr als zehn Jahre? Ich bin gerade erst gekommen, aber mit Ihnen hätte ich auf dieser zauberhaften Vernissage nicht gerechnet. Kennen Sie die Künstlerin, die man uns hier vorstellen möchte? Wie geht es Ihren Eltern, was macht die Galerie? Ach, ich wollte schon lange mal wieder bei den Merchands vorbeischauen!“

Sie könnte gern seinen Platz beim wöchentlichen Familienessen übernehmen. „Ihnen und der Galerie geht es gut, Madame. Alles ist beim Alten.“

„Gut, gut.“ Madame Laurent tätschelte seinen Arm und hüllte ihn in eine Wolke aus schwerem Parfum. „Ich werde mich bei Ihrer Mutter melden, aber erst einmal sollten wir diesen inspirierenden Abend genießen. Ah, Lucas, schauen Sie doch nur, diese fantastische Komposition!“

Er hätte gern abgelehnt, aber der Raum war so lang und schmal, dass sie ihn nur einen Schritt vorziehen musste, und schon standen sie vor dem ersten Ausstellungsstück.

Seufzend hob er den Blick und musterte es flüchtig. Ohne einen konkreten Gedanken daran spulte sein Gehirn die wichtigsten Informationen dazu ab: Quadratische Leinwand von einem Meter Länge, mit Walnussholz gerahmt. Abstrakte Malweise – dabei kam ihm gleich wieder der dreistündige Vortrag seines ehemaligen Dozenten in den Kopf, der der Meinung war, dass jede Kunst abstrakt sei, immerhin sei jede Malerei nur ein grobes Abbild der Vorstellung des Künstlers – mit eindeutigem Fokus auf die formalen Qualitäten des Farbzusammenspiels und die Komposition der einzelnen Flächen. Grund-Kategorie des Abstrakten: eher emotional und intuitiv, und dieses Gemälde erinnerte an die Werke des tschechischen Malers Frank Kupka, obwohl dieser auch Elemente des Symbolismus nutzte, das war hier puristischer. Also doch eher der klassische, großformatige abstrakte Expressionismus. Gedeckte Farbpalette in Richtung Pastell von Olivgrün bis zu leichtem, fließendem Rosa. Vermutlich eine Mischung aus Acryl- und Ölfarbe …

Er presste die Lippen zusammen und zwang sich dazu, die Augen zu schließen und tief durchzuatmen. Er würde all dieses unnütze Wissen niemals wieder loswerden, aber jetzt war nicht der Moment, um auch noch die einzelnen Arbeits- und Farbtechniken zu analysieren und sie verschiedenen Epochen oder großen Künstlern zuzuordnen.

„Das hat schon etwas, finden Sie nicht, Lucas?“ Madame Laurent beugte sich bedrohlich weit vor. Vielleicht reichte selbst diese Brille nicht mehr, um ihre Kurzsichtigkeit auszugleichen. „Etwas Frisches und Aufregendes! Ihrer Mutter würde es sicher auch gefallen. Dieses Werk würde sich wunderbar in meinem Gästebad machen … oh! Oh, schauen Sie nur, Lucas, da kommt gerade Victoria Bernard! Ich muss sie unbedingt begrüßen, entschuldigen Sie mich!“

Na, wenn sie so nett darum bat, tat er das doch gern. Die große Brille verschwand aus seinem Sichtfeld und Lucas hatte gleich das Gefühl, wieder besser Luft zu bekommen. Er sah noch einmal zu dem Bild mit dem famosen Titel respire – atme –, und wollte sich schon abwenden, doch da stand jemand anderes neben ihm.

„Es gefällt dir nicht?“

Er sah Franci in die dunklen Augen und hatte plötzlich das Gefühl, dass sich etwas in ihm drehte. Da stand eine Erwartung in ihrem Blick, die er zuvor nicht bemerkt hatte.

„Um das festzustellen, müsste ich es erst einmal vernünftig anschauen“, erwiderte er ausweichend.

Franci nickte und fuhr sich durch den Pony. „Dann tu das doch.“

Ach, er hätte sich einfach zusammenreißen und ‚doch, natürlich gefällt es mir‘ sagen sollen. Den meisten Menschen reichte das.

Aber Franci wirkte nicht, als würde sie sich damit zufriedengeben. Also drehte er sich wieder um, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und betrachtete das Bild. Sein Blick fuhr über die verschwommenen Flächen von gräulichem Blau und die massiveren Balken in Taupe und hellem Beige, die das blasse Rosa der oberen Hälfte vom Olivgrün und von Petrol durchbrochenem Sand der unteren Partie trennten. Die unauffällig eingearbeitete Strukturpaste erinnerte an ein fliederfarbenes Kuppeldach.

Er sah so viel. Er analysierte die Balance, die Proportionen, Kontraste und Werkspuren.

Doch was er nicht sah, war das Bild.

„Und?“

Blinzelnd sah er zurück zu Franci und hob die Schultern. „Hab schon Schlechteres gesehen. Die Technik ist okay. Nichts Neues, aber okay, eben abstrakter Expressionismus. Die gedeckten Farben wirken gut, eben sehr … beherrscht.“

Francesca zögerte einen Moment, bevor sie ein schiefes Lächeln zeigte. „Das ist also deine nette Umschreibung für langweilig.“

„Hm. Möglich.“ Unentschlossen trat Lucas einen Schritt zurück, bis er wieder neben ihr stand und sie anschauen konnte statt des Gemäldes.

„Vielleicht wollte der Künstler genau das bewirken“, sagte Francesca, während sie an ihm vorbei die gedeckten Flächen und Pinselschwünge betrachtete. „Etwas Beherrschtes. Etwas Ruhiges.“

„Kann sein. Ich sehe zu viel, um das noch zu sehen.“

Der Satz klang in seinen eigenen Ohren wirr, doch Franci nickte, als würde sie den Sinn dahinter erkennen. „Also hast du …“

„Lucas, Francesca! Hier seid ihr.“

Gleichzeitig wandten sie den Kopf. Élian zog sich gerade den Schal vom Hals und öffnete den langen, eleganten Mantel, mit dem er hier natürlich wunderbar reinpasste. Außerdem kam darunter eine Krawatte zum Vorschein, ganz wie Lucas es vermutet hatte.

„Entschuldigt die Verspätung“, setzte sein bester Freund hinzu und rieb die Hände aneinander. „Ich nehme fünfzig Prozent der Schuld auf mich, der Rest geht an Jeanne.“

Lucas nickte ernst. „Klingt fair.“

„Ja, bei euch beiden wüsste ich auch nicht, wer mehr Schuld verdient hätte“, stellte Franci fest. „Sie mit dem Pünktlichkeits- oder du mit dem generellen Ordnungs-Fimmel …“

„Ich will gar nicht wissen, wie es bei denen zu Hause läuft“, raunte Lucas in Francis Richtung, aber laut genug, dass Élian es hörte. Der verdrehte prompt die Augen.

„Abgesehen davon, dass sie dauernd meine Bücher umdrehen und neue Bilder von Lou aufhängen will, obwohl der Platz wirklich langsam eng wird, läuft es wunderbar.“

„So ein paar Streitpunkte braucht jede Beziehung“, erwiderte Franci.

„Jaja, spart euch euren Sarkasmus. Das könnt ihr die Tage mit Jeanne ausmachen“, verkündete Élian und fuhr sich durch die Haare, als er sich im Raum umsah. „Und, wie läuft es so? Kommen die Bilder gut an, Franci?“

Es gibt so Momente im Leben, da ändern sechs einfache Worte sehr viel. Dieser Moment, in dem Lucas blinzelnd diesen Satz rekapitulierte und begriff, war so einer.

Franci neigte den Kopf von rechts nach links. „Das kommt ganz drauf an, wen du fragst.“

Als würde er plötzlich ganz weit weg von den beiden stehen, drangen die nächsten Worte nur gedämpft an sein Ohr.

„Ach, das wird schon. Es ist ja deine erste Vernissage. Die Kunden brauchen immer ein bisschen Zeit, bis sie begreifen, was für erstklassige Kunst sie vor sich haben“, sagte Élian und legte Franci eine Hand auf die Schulter.

„Das … die Bilder sind von dir?“, fragte Lucas tonlos.

Élian lachte leise. „Ja, das hab ich dir doch erzählt! Franci hat lange auf diese Ausstellung gewartet, zumindest redet Jeanne schon seit Wochen davon.“

Außerdem gibt es so Momente im Leben, da will man manchen eigentlich sehr netten Menschen einfach mal den Kopf waschen. „Nein, das hast du nicht erzählt“, erwiderte er, presste die Lippen aufeinander und sah zu Franci, die seinen Blick klar erwiderte.

Ach, verdammt. Wäre er doch zu Hause geblieben.