Leseprobe Verliebt in den Highlands

Prolog

Luzern, Schweiz

Februar 2019

Lara starrte aus dem Fenster des Altbaus in einen trüben, regennassen Morgen. Wie oft um diese Jahreszeit verdeckte ein schmutzig-grauer Wolkendeckel den Himmel über der Stadt Luzern. Sie fühlte sich an solchen Tagen stets, als habe man sie in einen stickigen Käfig gesteckt und halte ihr überdies einen Wattebausch vor den Mund. Gelegentlich fraß sich ein Sonnenstrahl durch die betonfarbene Kuppel über der Stadt und erinnerte daran, dass der Frühling ungeduldig darauf wartete, endlich aus seinem Nebelloch kriechen zu dürfen.

Das Büro des Anwalts, der außerdem Notar war, bestand mehrheitlich aus massiven, schnörkellosen Holzmöbeln und mit Wälzern und Ordnern vollgepackten Regalen. Gelegentlich gewährte ein gerahmtes Farbfoto einen flüchtigen Blick auf das Leben des Menschen hinter der Brille mit der filigranen Goldfassung. Liebender Vater von drei lebensfrohen Rabauken, stolzer Ehemann einer kühlen Blondine.

Thomas und Lara hatte man zwei weinrote Ledersessel gegenüber des Schreibpultes des Rechtsvertreters angeboten. Thomas trommelte mit den Fingern auf die Sessellehne, wechselte im Minutentakt die Sitzstellung und gab immer wieder ein Schnauben von sich. Unmut dampfte aus jeder Pore und schlug sich in feinen Schweißperlen auf der Nase nieder. Sein Blick huschte zum Zifferblatt der Armbanduhr. Auch schon zum wiederholten Mal.

Herr Sieber, der Anwalt, raschelte mit dem Papier vor sich, rückte die Brille zurecht und hob den Kopf, um seine Klienten zu mustern.

»Ich gehe davon aus, dass Ihnen zwischenzeitlich bekannt ist, dass Ihre Nichte Tonya Auer, die Tochter Ihrer einzigen Schwester und deren Ehemannes, interimsmäßig bei ihrer besten Freundin Kaia Regar wohnt.«

Lara nickte. Der Autounfall, der Elisabeth und Werner unerwartet und viel zu früh aus dem Leben gerissen hatte, war wie eine fälschlicherweise detonierte Atombombe in ihrer Mitte explodiert. Niemand hatte damit gerechnet. Zurück blieb eine rauchende Ruine, eine sich stetig ausbreitende Giftwolke, die in Lara allem voran absolute Ohnmacht auslöste. Die Tage seit dem Tod ihrer Schwester waren in einem nicht näher definierbaren Farbsturm an ihr vorbeigezogen. Rechtliches musste geregelt und die Beisetzung organisiert werden. Durchwachte Nächte im Rausche des Gedankenkarussells und endlose Tage ohne Appetit ließen sie jedes Gefühl für Zeit und Raum verlieren.

»Ich habe hier das Testament Ihrer Schwester, Frau Brehm. Ich würde es Ihnen gerne vorlesen und die relevanten Stellen daraus zitieren.«

Lara nickte mechanisch, Thomas’ Anzug raschelte, als er erneut die Sitzposition wechselte.

»Um Sie nicht länger auf die Folter zu spannen und mit Juristendeutsch zu malträtieren … Ihre Schwester und ihr Ehemann ließen bei der Geburt ihrer Tochter Tonya ein Testament aufsetzen. Darin verfügen sie wie folgt: Das Kind soll im Falle eines unerwarteten oder verfrühten Ablebens seiner Eltern zu einem Zeitpunkt, an dem es noch unmündig ist, in Ihre Obhut gelangen, Frau Brehm.« Er blickte kurz auf, als wolle er sichergehen, dass man seinen Ausführungen auch zu folgen vermochte und führte dann weiter aus: »Tonya Auer ist gemäß meiner Auskünfte fünfzehn, also noch nicht volljährig. Natürlich steht Ihnen für den Unterhalt und die Ausbildung des Mädchens ein genügend hohes Kapital zur Verfügung. Dafür wurde in Form eines Sparkontos gesorgt.«

Er legte die Papiere beiseite, faltete die Hände und schaute Lara erwartungsvoll an.

»Gut, wären wir dann so weit fertig? Ich muss dringend zurück ins Büro, ich habe noch einige Kundentermine zu erledigen.« Thomas erhob sich und bedachte Lara mit einem auffordernden Blick. Dabei klopfte er kommentarlos auf das Glas seiner Armbanduhr. Als er sich der konsternierten Gesichtsausdrücke der beiden anderen gewahr wurde, warf er die Hände empor. »Ja was denn? Wir werden so eine wichtige Entscheidung doch wohl kaum hier zwischen Stuhl und Bank treffen müssen. Ein jugendliches Gör bei sich zu beherbergen, ist alles andere als ein Spaziergang. Zumal es nicht einmal unser leibliches Kind ist.«

Der Anwalt starrte ihn einige Sekunden an, eine leichte Röte kroch aus seinem Hemdkragen den Hals hinauf. »A… aber natürlich, wie Sie wünschen. Frau Brehm?« Er suchte Laras Blick.

Sie erhob sich betont langsam und strich ihre Kleidung glatt. Die Erschöpfung brannte in ihrem Kopf und verursachte einen Knoten in ihrem Magen. Sie fühlte sich innerlich ausgehöhlt, als trage sie das Gewicht des gesamten Globus auf ihren Schultern. Sie musterte ihren Partner einige Sekunden lang, dann wandte sie sich an den Notar.

»Setzen Sie alle nötigen Verträge auf und melden Sie sich, wenn Sie so weit sind. Selbstverständlich nehmen wir Tonya bei uns auf. Darüber müssen wir nicht nachdenken, schließlich geht es um einen Menschen und nicht darum, eine Versicherung abzuschließen, Thomas.« Sie wandte sich ihrem Partner zu und bedachte ihn mit einem eisigen Blick.

Der Seitenhieb auf seinen Beruf saß. Mit hochrotem Kopf und zornig mahlendem Kiefer stürmte er aus dem Raum.

Kapitel 1

Luzern, Schweiz

Juni 2019

Lara stützte den Kopf in die Hände und seufzte. Es war vier Uhr in der Früh. Das Krankenhaus war in ein mattes, künstliches Licht getaucht, der Empfang lag im Dunkeln. Außer vereinzelten Schritten in angrenzenden Fluren vernahm man kaum Geräusche. Sie erhob sich und kramte in ihrer Handtasche nach einer Münze. Der Kaffeeautomat erwachte zum Leben und rumpelte, während er einen Pappbecher mit einer braunen Brühe zutage förderte. Lara nahm einen vorsichtigen Schluck des Getränks und schloss genießerisch die Augen. Nicht weil das Gebräu als Grand Cru seiner Art hätte bezeichnet werden können, sondern weil die Wärme, die sich nun in ihrem Körper ausbreitete, sehr willkommen war. Sie fühlte, wie ihre Lebensgeister zurückkehrten. In eben diesem Moment teilten sich die Glastüren der Notaufnahme und Emilia erschien im Türrahmen. Lara sprang von ihrem Sitz auf und eilte der Freundin entgegen. Sie fielen sich wortlos in die Arme.

»Danke, dass du gekommen bist, Emilia. Thomas weigerte sich, aufzustehen, da er morgen früh zur Arbeit muss und meine Eltern überfordert das Ganze langsam aber sicher. Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir uns wegen Tonya eine Nacht um die Ohren schlagen müssen.«

»Sie ist die Tochter deiner einzigen Schwester, Lara, ich hätte dasselbe getan.« Emilia holte sich einen Cappuccino aus dem Automaten und setzte sich neben ihre Freundin. Sie musterte sie eingehend. »Du siehst müde aus. Abgenommen hast du auch.«

Lara gab ein Prusten von sich. »Wem sagst du das.« Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Seit Elisabeth und Werner bei dem Autounfall starben, habe ich kaum mehr eine Nacht durchgeschlafen. Das ist jetzt vier Monate her.«

»Warum hast du mich nicht früher angerufen und um Hilfe gebeten?« Emilia legte die Stirn in Falten. »Du weißt, dass ich jederzeit gekommen wäre.«

»Deshalb setzte ich alles daran, es alleine zu schaffen. Ich wollte dich damit nicht auch noch belasten. Du bist berufstätig und hast selbst genug Verpflichtungen mit deiner Firma. Außerdem dachte ich, dass Thomas und ich dieses Abenteuer nach seiner anfänglichen Skepsis zusammen durchstehen.«

Lara senkte den Blick und versuchte, die Tränen wegzublinzeln. Sie spürte Emilias Hand auf ihrer Schulter.

»Thomas will dieses Experiment nicht, habe ich recht?« Sie seufzte und strich ihr besänftigend über den Rücken.

Lara schüttelte nur stumm den Kopf. »Ich kann ihn ja irgendwie auch verstehen. Ich bin zwar Tonyas Patentante, aber seit das Mädchen in der Pubertät ist, sahen wir sie bei meiner Schwester nur noch selten. Es ist außerdem eine völlig andere Sache, ein eigenes Kind aufwachsen zu sehen und es durch seine Jugend zu begleiten, als ein fremdes plötzlich Vollzeit im Haus zu haben. Thomas und ich hatten nie Gelegenheit, uns an ein Kind zu gewöhnen und unser Leben entsprechend anzupassen. Durch den Unfall geschah alles über Nacht. Wir … sind wohl beide überfordert, schätze ich.«

Lara sah auf und wischte sich die Tränen, die nun doch verräterisch über ihre Wangen kullerten, aus dem Gesicht.

»Und was ist nun genau passiert? Warum ist Tonya hier?«, wollte Emilia wissen.

Lara nahm den letzten Schluck des mittlerweile erkalteten Kaffees und begann zu erzählen: »Sie ist seit dem Unfall ihrer Eltern nur noch sporadisch in der Schule erschienen. Jegliche Versuche, sich vernünftig mit ihr zu unterhalten, schlugen fehl. Sie wurde zornig und schmiss Gegenstände durch ihr Zimmer. Irgendwann kam sie immer später nach Hause. Es war ein schleichender Prozess. Wir dachten zuerst, dass sie sich mit Freundinnen trifft, um über ihre Probleme zu sprechen. Wir ließen sie daher gewähren. Vor einigen Wochen bemerkte ich jedoch, dass mit ihr etwas nicht mehr stimmte. Ihre Wutanfälle nahmen an Heftigkeit zu, sie veränderte sich äußerlich, verlor an Gewicht und wurde immer bleicher. Oft war sie total aufgedreht und verbrachte die Nächte entweder auf Partys mit Freunden oder mit Musikhören im Garten.« Lara legte eine Pause ein, es fiel ihr schwer, weiterzusprechen.

»Die Ärzte sagen, dass sie große Mengen Alkohol konsumiert hat und außerdem Drogen nimmt. Noch nicht regelmäßig, aber es könne sich eine Abhängigkeit daraus entwickeln, wenn man jetzt nicht eingreife. Sie mussten ihr den Magen auspumpen. Das ist nun ihr dritter Aufenthalt im Krankenhaus in diesem Monat. Es ist allerdings das erste Mal, dass sich Thomas weigerte, mich hierher zu begleiten … und meine Eltern …«, sie seufzte, »… ehrlich gesagt wollte ich sie mit der Sache nicht auch noch belasten. Sie können damit überhaupt nicht umgehen und grämen sich zu Tode.« Erneut lösten sich einige Tränen in Laras Augenwinkel.

Emilia schlang ihre Arme um sie und zog sie an sich. Lara legte den Kopf auf die Schultern der Freundin und genoss deren Wärme und tröstende Umarmung.

Emilia räusperte sich. Eine Spur zu auffällig. Lara hob den Kopf und blickte ihre Vertraute fragend an. Sie kannte sie nun bereits seit so vielen Jahren, dass sie jede Nuance ihrer Stimme richtig zu deuten wusste. Sie hob eine Augenbraue.

»Ähm … also ich weiß nicht, wie du dazu stehst, Lara …«

»Nun mach schon, spuck es aus. Wie schlimm kann es denn sein?« Lara fühlte die aufkeimende Ungeduld in ihrem Inneren.

»Ich habe vor einigen Tagen einen Fernsehbeitrag bei BBC Scotland gesehen. Du weißt, dass ich meiner Heimat nach wie vor verbunden bin und mir daher stets die News aus den Medien ansehe und anhöre. Es … ach, du findest das bestimmt lächerlich.« Emilia gab ein beschämtes Kichern von sich und schüttelte den Kopf. »Sie zeigten eine Dokumentation über einen Lord aus den Highlands. Er besitzt riesige Ländereien, Pferde und ein Schloss in der Nähe von Lairg im Norden Schottlands. Man nennt ihn gemeinhin den Cowboy

»Weil er … Pferde züchtet?« Lara verstand nicht, worauf Emilia hinauswollte.

»Das auch, aber in erster Linie ist er dafür bekannt, dass er schwer erziehbaren oder traumatisierten Jugendlichen dabei hilft, einen Weg zurück in ein normales Leben zu finden.«

»Das klingt doch alles wunderbar.« Lara konnte Emilias seltsames Gebaren noch immer nicht einordnen.

»Nun, die Sache ist die … seine Methoden sind, den Gerüchten zufolge, sehr gewöhnungsbedürftig und unkonventionell. Natürlich hat er sich geweigert, diese in der Dokumentation preiszugeben. Auch durften keine Jugendlichen gefilmt oder befragt werden. Aus Datenschutzgründen und damit das Persönlichkeitsrecht nicht verletzt wird. Selbstverständlich wollten die Teilnehmer selber auch nicht porträtiert werden. Niemand will als Härtefall landesweit bekannt sein. Der Cowboy ist ein Mysterium, das vor allem durch Mund-zu-Mund-Propaganda Berühmtheit erlangte und es daher bis ins Fernsehen schaffte. Es gibt keine Website und keine öffentlich zugänglichen Informationen oder Daten über sein Angebot. Er macht das ehrenamtlich, diskret und nur in sehr bescheidenem Rahmen.«

Lara musste Emilias Worte erst einmal einige Minuten sacken lassen. Nach einer Weile meinte sie: »Man geht also ein gewisses Risiko ein, wenn man bei dem Cowboy vorstellig wird, oder? Man kann nicht einschätzen, was auf einen zukommt, habe ich recht?« Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Emilia bestätigte ihre Vermutung durch ein stummes Nicken. Andererseits: Was hatte sie denn schon zu verlieren? Schließlich ging es um das Leben und die Zukunft ihrer einzigen Nichte. Viel schlimmer als jetzt konnte es ohnehin nicht mehr werden.

»Wie erreicht man den mysteriösen Herrn denn? Hat er wenigstens eine Telefonnummer?«

»Die hat er. Er will ja nicht unerreichbar sein, aber er will sein Erfolgsgeheimnis nicht offenbaren. Verständlicherweise.« Emilia kramte in ihrer Tasche und reiche Lara einen Zettel. Dabei errötete sie. »Ich gebe zu, ich war auf dieses Gespräch vorbereitet.«

 

Als Lara gegen Morgen endlich erschöpft neben Thomas ins Bett sank, galt ihr letzter Gedanke den Ausführungen ihrer besten Freundin. Sie beschloss, ihrem Lebenspartner vorerst nichts von ihrem neusten Hirngespinst zu erzählen. Er würde sich nur unnötig echauffieren. Zuerst galt es jetzt einmal, bei dem Highlander vorstellig zu werden. Möglicherweise war dieser aufgrund seines Bekanntheitsgrades dermaßen gefragt, dass man ihn gar nicht erreichte. Abgesehen davon benötigte er niemandes Geld und war daher nicht gezwungen, Aufträge anzunehmen. Vermutlich musste man schon einen verdammt guten Grund haben, damit er einem überhaupt eine Audienz gewährte …

Lara nahm sich den Tag nach der nächtlichen Aktion erneut frei. Das dritte Mal innerhalb kürzester Zeit. Sie schätzte die kulante Art ihrer Chefin sehr. Lara war gelernte Bekleidungsgestalterin und arbeitete in einem Modegeschäft in der Luzerner Altstadt. Sie war sich durchaus bewusst, dass das Chaos in ihrem Privatleben nicht von Dauer sein durfte, wenn sie ihren Job längerfristig behalten wollte. Noch zeigte sich ihre Vorgesetzte sehr verständnisvoll, da sie selbst Kinder in Tonyas Alter hatte. Wenn die Probleme mit ihrem neuen Mündel jedoch komplett aus den Fugen gerieten, würde sie ihren beruflichen Pflichten nicht mehr nachkommen können. Das wiederum würde unweigerlich zu weiteren Querelen mit ihrem Lebenspartner führen. Lara seufzte. Ihr blieb keine andere Wahl. Zuerst wollte sie aber ihrer Nichte im Krankenhaus einen Besuch abstatten. Einerseits, weil sie sich für ihr Wohl verantwortlich fühlte und andererseits, sie gab es ja zu, weil sie den Anruf auf die Insel vor sich herschob. Emilia hatte ihr natürlich angeboten, das Telefongespräch für sie zu tätigen, riet ihr jedoch, dies selbst zu erledigen.

»Der Lord soll aufgrund des hohen Andrangs und des Wirbels um seine Person sehr wählerisch sein, sagt man. Wenn er denn überhaupt im Schloss weilt und nicht mit dem Pferd auf seinen Ländereien unterwegs ist, wird er nur jene Anrufer entgegennehmen, die ihn interessieren und sich von der Masse abheben. Meine Intuition flüstert mir, dass eine junge Dame aus der Schweiz eher seine Neugierde zu wecken vermag, als eine gewöhnliche Schottin. Diese rennen ihm wohl auch sonst die Tür ein. Ich fürchte, dass ich gar nicht durchgestellt werde, um mein Anliegen soweit zu erklären, dass du ins Spiel kommst. Dein Akzent und die Tatsache, dass du die Reise in den Norden Großbritanniens für deine Nichte auf dich nehmen würdest, beeindrucken jemanden wie den Cowboy. Gemäß des BBC-Beitrags ist er ein Mensch, der Mut und Eigenwilligkeit hohen Wert beimisst. Es ist verdammt noch mal mutig, Lara, wenn du ihn mit deinen bruchstückhaften Englischkenntnissen einfach anrufst. Versuch es!« Das waren exakt ihre Worte gewesen. Vermutlich hatte sie recht. Bedauerlicherweise.

 

Tonya lag wie ein totgeborenes Küken in den weißen Laken des Krankenbettes. Blaue Äderchen schimmerten durch ihre gläserne Haut und pflaumenfarbene Schatten umrahmten ihre Augen. Sie starrte mit gebrochenem Blick aus dem Fenster ins Nichts. Das Nasenpiercing hatte man ihr abgenommen, ebenso ihre zahlreichen Ohrstecker und Ketten. Einzig die Tätowierungen schlangen sich wie düstere Male um ihre knöchernen Glieder. Sie wandte nicht einmal den Kopf, als Lara eintrat.

Lara wusste, dass eine Begrüßung keine Wirkung zeigen würde, also zog sie sich einen Stuhl heran und setzte sich schweigend neben das Bett des jungen Mädchens. Deren Augenlider flatterten kurz, als sie ihre Tante registrierte.

Lara starrte auf ihre Hände. Es gab nichts zu sagen. Sie wollte gegenüber Tonya keine Vorwürfe platzieren, denn tief in ihrem Inneren verstand sie das Leid und die Verzweiflung des Teenagers. Die Frage nach dem Befinden war ebenfalls überflüssig, war ihnen doch beiden bewusst, wie es um sie stand. Eigentlich wusste Lara gar nicht genau, was sie sich von dem Treffen erhoffte. Irgendwie wollte sie dieser verlorenen Seele einfach nahe sein. Physisch und emotional. Ihr zeigen, dass sie sich kümmerte und sie ihr nicht egal war. Ignoranz, Ablehnung oder Wut, wie Thomas sie mittlerweile zur Schau trug, würden nur Öl ins Feuer gießen.

Lara hätte Tonya gerne von Schottland erzählt, doch war es dafür noch zu früh. Ihre Chancen, den Lord überhaupt für sich gewinnen zu können, waren verschwindend gering.

Nach einer Stunde einvernehmlichen Schweigens erhob sich Lara.

»Ich weiß, dass du das nicht hören willst, aber ich freue mich, wenn du wieder zu Hause bist, Tonya.«

Ohne die Antwort, die ohnehin nicht kam, abzuwarten, verließ sie das Zimmer ihrer Nichte und kehrte nach Hause zurück.

 

Der Anblick der apathischen Tonya nagte unaufhörlich an Laras Seelenfrieden. Sie musste etwas unternehmen. Koste es, was es wolle. Mit oder ohne Unterstützung ihres Lebenspartners.

Nach dem Abendessen, als Thomas Fußball schaute und vor dem Fernseher döste, schlich Lara mit ihrem Mobiltelefon ins Bad, das sich am anderen Ende der Wohnung befand. Sie schloss die Tür hinter sich. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ihr Freund aufwachen und sie suchen sollte.

Wenn dieser berühmte Schotte zu irgendeiner Tageszeit gerade nicht dabei war, die Grenzen seiner Ländereien abzureiten, dann war das bestimmt abends, kurz vor dem Zubettgehen. Ein Tipp, der ebenfalls von Emilia stammte.

Mit schweißnassen Fingern und pochendem Herzen tippte sie die Nummer, die ihr die Freundin überlassen hatte, in ihr Handy. Sie hoffte inständig, dass ihr rudimentäres Englisch ausreichen würde, um ihr Anliegen zu platzieren.

Das Freizeichen erklang. Einmal, zweimal, dreimal.

Laras Puls raste.

»McAlister Castle, Ron speaking, how may I help you?«

Lara vergaß einige Sekunden lang zu atmen. Da ging doch tatsächlich jemand ran!

»Hello?«

»Ähm … hallo, hier spricht Lara Brehm aus der Schweiz, ich habe Ihre Nummer …«, versuchte sie es in gebrochenem Englisch.

»Aus dem Fernsehen, nehme ich an«, beendete Ron ihren Satz. Sie konnte das Lächeln auf seinem Gesicht am Tonfall der Stimme erraten. »Ich gehe davon aus, dass Sie Tristan McAlister sprechen wollen, oder? Ich erkundige mich kurz, ob der Lord überhaupt Zeit hat. Wie Sie sich bestimmt vorstellen können, sind Sie nicht die einzige Anruferin und es ist schon spät.«

Lara beeilte sich, die Frage mit einem Yes, thank you zu beantworten. Es knackte in der Leitung. Erneut schlug ihr Herz so laut gegen ihren Brustkorb, dass sie glaubte, nichts anderes mehr zu hören als das dumpfe Wummern.

Eine Klaviersonate erklang und half, Laras Puls zu beruhigen. Nach einer Viertelstunde wollte sie auflegen, weil sie annahm, dass es offenbar doch nicht so simpel war, den Adligen ans Telefon zu bekommen. Just in diesem Moment ertönte erneut die Stimme des freundlichen Herrn.

»Danke fürs Warten, Madam. Herr McAlister wird Ihren Anruf gleich entgegennehmen. Bitte haben Sie noch etwas Geduld.«

Es dauerte einige Minuten, die sich gefühlt zu Stunden ausdehnten, bis sich abermals jemand zu Wort meldete.

»Feasgar math, guten Abend.«

Die Vibration dieser kehligen Stimme ging Lara durch Mark und Bein. Fremd und geheimnisvoll wie der schottische Wind, der durch die Gräser des Torfmoors fuhr. Herb-würzig und dunkel wie das Porter, das tiefschwarze Bier Großbritanniens.

Ihre Englischkenntnisse platzten wie ein Ballon.

Lara erstarrte und … schwieg.

Kapitel 2

McAlister Castle, nahe Lairg

Juni 2019

Tristan stopfte seine Pfeife Prise um Prise mit Tabak. Er kontrollierte den Druck mit dem Zeigefinger und lächelte zufrieden. Das Kraut musste etwas nachgeben und anschließend in die Ausgangsposition zurückfedern. Dann, und erst dann, war die Pfeife fachmännisch gestopft. Er setzte den Tabak mit einem Zündholz in Brand und wartete, bis er gleichmäßig glomm. Schließlich gönnte er sich einen ersten Zug und lehnte sich mit einem entspannten Seufzer in seinem Ohrensessel zurück.

Tristan ließ sich bei dieser für ihn eminent wichtigen Tätigkeit nur ungern unterbrechen, weshalb er sowohl seinen Bediensteten Ron wie auch den kürzlich in die Bibliothek getretenen Jugendlichen geflissentlich ignorierte.

Ron räusperte sich vernehmlich, wagte jedoch nicht zu sprechen.

»Ron, was liegt Ihnen auf dem Herzen? So reden Sie endlich, Sie machen mich mit Ihrer Präsenz nervös.«

»Sir, es regnet draußen. Um genau zu sein, schüttet es wie aus Kübeln. Außerdem setzt die Dämmerung schon bald ein.«

Tristan folgte dem Blick des Butlers gelangweilt zum Fenster und beobachtete die Regentropfen, die immer zahlreicher gegen das Glas klatschten. Er nahm einen weiteren Zug aus der Pfeife.

»Das ist mir in der Tat nicht entgangen, Ron. Noch steht es jedoch nicht uns Burgherren zu, über das Wetter zu bestimmen.« Er zwinkerte seinem Angestellten verschwörerisch zu.

Dieser gab sich alle Mühe, ein Grinsen zu verkneifen. »Das schon, Mylord, aber wie Ihnen vielleicht bekannt ist, befindet sich Daniel immer noch drüben beim Wäldchen und hackt Holz.«

Tristan erhob sich und schritt rauchend zum Fenster. Gemächlich ließ er den Blick über den Garten unter sich und das sich in der Ferne verlierende Gelände schweifen. Dort, kaum noch sichtbar hinter dem nebligen Schleier des Regens, zeichneten sich die Umrisse eines Wäldchens ab.

»Nun denn, dann wollen wir ihn bei dieser wertvollen Tätigkeit mal nicht unterbrechen, oder? Das Verrichten aufrichtiger Arbeit ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die es hier zu erwerben gilt. Ich bin gerade dabei, mir ein Bild über meine neuen Gäste zu machen. Das kann schon mal etwas Zeit in Anspruch nehmen.«

»Aber er bekam nicht einmal sein Abendessen!«, protestierte der rothaarige Junge, der hinter Ron stand. Er wies fatale äußere Ähnlichkeiten mit einem verlausten, verhungerten Straßenkater auf.

Tristan drehte sich betont langsam zu ihm um.

»Albert, richtig? Du scheinst mir von der eloquenten Sorte zu sein, so was mag ich. Wirklich, das behagt mir sehr. Eigentlich habe ich genau nach einem Talent wie dir gesucht.« Tristan hob amüsiert eine Augenbraue, um seinen zynischen Worten mehr Nachdruck zu verleihen.

Albert, dem der Spott in der Stimme seines Gegenübers nicht entgangen war, reckte trotzig das Kinn. Tristan tat, als bemerke er die Geste nicht. Mit einem warmen Lächeln und einer ausholenden Geste drehte er sich einmal um die eigene Achse und wies auf die mit Büchern vollbepackten Regale, die bis zur Decke reichten. »Wie du siehst, ist McAlister Castle im Besitz einer beachtlichen Buchsammlung. Sei so gut und nimm ein Werk deiner Wahl aus dem Regal. Ron und ich sind nun in der Stimmung für eine gute Geschichte. Du wirst uns aus dem Band vorlesen.« Ohne auf Alberts Reaktion zu warten, wandte er sich erneut seinem Butler zu.

»Ron, das war ein anstrengender Tag. Bringen Sie doch den Single Malt Whisky, Sie wissen, welchen ich am liebsten mag. Setzen Sie sich zur Feier des Tages mit einem Glas zu uns. Immerhin haben wir die Ehre, dass Albert uns aus einem Buch vorliest. So etwas kommt ja nicht alle Tage vor. Dass sich jemand freiwillig für die Aufgabe meldet, meine ich.« Er konnte das Zucken der Mundwinkel nur mit großer Mühe unterdrücken.

Ron senkte den Blick, um das belustigte Funkeln in seinen Augen zu verbergen, und verschwand im angrenzenden Raum.

»Ich werde nicht vorlesen!«, brüllte Albert und seine blasse Haut lief purpurrot an. In diesem Augenblick erschien Ron mit einem Tablett, zwei Gläsern und einer Flasche Whisky im Türrahmen.

Tristan drehte sich verwundert zu dem Butler um. »Grundgütiger, Ron, haben Sie das gehört? Das hatten wir in all den Jahren noch nie. Jemand, der nicht vorlesen will. Was für ein Sakrileg!«

Ron nickte zustimmend. »In der Tat befremdlich, Mylord.«

»Hört endlich mit dieser beschissen altmodischen Sprache auf! Wir sind hier nicht im Kindergarten!« Albert ballte die Hände zu Fäusten und Speicheltropfen glitzerten auf seinen Lippen. Ein wildes Funkeln beherrschte die Augen des Jungen.

Tristan lachte. Herzlich, aus vollem Hals.

»Also wenn ich mich hier so umsehe, mein werter Albert, so befinde ich mich, aus meiner Warte gesehen, sehr wohl im Kindergarten. Mindestens. Ich erinnere dich dezent daran, dass auch Kollege Daniel, der nun beim baldigen Einbruch der Nacht noch immer im strömenden Regen Holz hackt, gestern der Meinung war, sich meinen Regeln widersetzen zu müssen. Es obliegt also voll und ganz deiner erwachsenen Entscheidungskompetenz, ob du uns nun, wie es die Tradition in diesem Haus gebietet, etwas vorlesen willst … oder nicht.«

Mit diesen Worten setzte sich Tristan wieder in seinen Ohrensessel, schenkte sich und Ron den Whisky ein und schlug die Beine übereinander.

»Ach, und bevor ich es vergesse: Morgen sucht sich jeder von euch in Ruhe und mit Hingabe ein Pferd aus, dessen Schutzpatron er daraufhin wird. Ihr werdet dem Tier nicht mehr von der Seite weichen, seine Bedürfnisse erkunden, es beschützen, ihm dienen und sein Leben in jeglicher Hinsicht teilen. Ich erwarte eure Entscheidung bis morgen Abend, spätestens Mitternacht.«

»Soll ich etwa auch noch mit dem Gaul im Stall schlafen, oder was?« Albert gab ein hysterisches Prusten von sich.

Tristan wechselte einen vielsagenden Blick mit Ron, fixierte dann wieder den rothaarigen Jungen und meinte mit gleichgültiger Stimme: »Das bietet sich wohl an, wenn du die eben genannten Auflagen zu meiner vollständigen Zufriedenheit erfüllen möchtest.«

Er nahm einen kräftigen Zug von seiner Pfeife und musterte Albert.

Dieser holte erneut Luft, baute sich mit zitternden Fäusten vor Tristan auf und wollte gerade zu einer weiteren Hasstirade ansetzen.

Tristan stieß einen scharfen Pfiff aus. Noch ehe sich der Junge versah, wurde die Tür zum Salon beinahe aus den Angeln gerissen. Zwei Dobermann-Hündinnen stürmten wie die Reiter der Apokalypse herein. Sie setzten sich geifernd und knurrend zwischen Tristan und den Burschen.

»Skylla, Charybdis … da sind ja meine Mädchen. Ihr hättet um ein Haar den Beginn der Geschichte, die Albert uns vorzulesen gedenkt, verpasst.« Er strich den Tieren liebevoll über die Köpfe, woraufhin sie ihm die Hände ableckten und sich winselnd vor seinen Füßen zusammenrollten.

Albert riss entsetzt die Augen auf und schlich rückwärts, ruckartige Bewegungen vermeidend, zu einem Regal. Ohne den Titel des Werkes zu lesen, nahm er es heraus und bewegte sich Schritt für Schritt, die beiden Hunde fixierend, auf einen Sessel zu. Er klappte das Buch auf und begann mit der Vorlesung.

»Ah, Tom Sawyer und Huckleberry Finn, eines unserer Lieblingsbücher, hab ich recht, Skylla?« Tristan tätschelte der Dobermann-Dame liebevoll den Kopf.

Albert warf ihm einen vernichtenden Blick zu.

 

Am darauffolgenden Tag kehrte Tristan gerade von seinem letzten Rundgang durch die Stallungen zurück. Daniel und Albert waren immer noch dabei, sich ein Pferd für den kommenden Tag auszusuchen. Bevor er zu Bett ging, wünschte er den Vierbeinern stets eine gute Nacht und sah trotz der Tatsache, dass er dafür qualifiziertes Personal besaß, selbst kurz nach dem Rechten. Im jetzigen Fall, mit den Jungs im Stall, insbesondere.

Im Haus erwartete ihn Ron hektisch gestikulierend. »Ich habe Sie bereits überall gesucht, Sir. Da ist eine Lady aus der Schweiz am Apparat. Sie hat eine Anfrage. Hoffentlich hat sie zwischenzeitlich nicht aufgelegt.«

Aus der Schweiz? Zu dieser späten Stunde? Das weckte Tristans Neugierde, was Ron offenbar vermutete, sonst wäre er nicht dermaßen aufgekratzt. Die meisten von Tristans potenziellen Klienten stammten aus Großbritannien.

»Sagen Sie ihr, dass ich gleich komme. Ich muss rasch die Stallklamotten ausziehen und etwas trinken.«

Tristan streifte sich die Stiefel von den Füßen, hängte die nach Pferden duftende Jacke an den Haken in der Garderobe und machte einen Abstecher in die Küche. Danach eilte er durch die Empfangshalle, nahm immer zwei Treppenstufen auf einmal und rannte schließlich die letzten Meter zu seinem Büro.

»Feasgar math, guten Abend.«

Schweigen. Er lauschte angestrengt in den Hörer. Ein Blick auf den Akku des Telefons verriet ihm, dass zumindest mit dem Gerät alles in Ordnung war.

»Hallo? Hier spricht Tristan McAlister … wer ist da?«

Jemand holte keuchend Luft.

»Verstehen Sie mich überhaupt?«

»Ähm … ja, entschuldigen Sie … ich … meine Katze wollte sich gerade auf die Tastatur des Computers legen, ich musste sie davon abhalten. Ach, was fasle ich denn da …«

Tristan ertappte sich dabei, wie ein amüsiertes Schmunzeln seine Mundwinkel nach oben zog. Er glaubte ihr kein Wort.

»Ich nehme an, Sie wollten bei mir anfragen, ob ich Ihr Kind bei mir aufnehme?«, versuchte er, ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.

»Das ist korrekt, es geht um meine Nichte Tonya. Sie …«

Bevor er sie überhaupt unterbrechen konnte, erzählte ihm die Fremde in gebrochenem Englisch ihre komplette Leidensgeschichte. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde Tristans Gewissen schlechter, denn der Moment, in dem er ihr das Unvermeidliche würde sagen müssen, rückte näher. Schließlich beendete sie ihre wasserfallartige Rede mit einem erschöpften Seufzer.

»Es tut mir sehr leid, Frau …« Er hatte ihren seltsamen Namen, der sich nach einem Zungenbrecher anhörte, vergessen. »Ich bin bereits ausgebucht. Ich nehme nur drei Jugendliche auf einmal bei mir auf. Zwei sind schon eingezogen, der Letzte stößt in den kommenden Tagen zu uns. Dazu muss ich noch sagen, dass ich nur männliche Anwärter auf meinem Anwesen empfange, was der Hauptgrund für meine Absage ist.«

Tristan hörte sie nach Luft schnappen.

»Was soll denn das bitte heißen? Dass Sie Tonya möglicherweise eine Chance geben würden, wenn sie ein Junge wäre?«

»Das ist korrekt. McAlister Castle kommt seit Generationen ohne weibliche Präsenz aus. Die einzigen Ausnahmen bilden meine Stuten und meine beiden Dobermann-Damen.«

Fassungsloses Schweigen schlug Tristan entgegen. Zumindest hielt er es für ein solches.

Dann brach die Frau am anderen Ende der Leitung in schallendes Gelächter aus. Sie schien sich gar nicht mehr zu erholen.

»Sie nehmen mich doch auf den Arm, oder?«

Ihr Kichern verstummte jäh, als sie offenbar erkannte, dass er nicht zum Scherzen aufgelegt war. Was für eine seltsame Frau das war. Bisher hatte sich noch nie jemand über Tristan oder seine Methoden lustig gemacht. Immerhin waren seine Erziehungs-Maximen von konstantem Erfolg gekrönt, das konnte niemand abstreiten. Warum in aller Welt fand sie das also dermaßen amüsant?

»Ihnen scheint es mit dieser Aussage offenbar ernst zu sein. Wenn das so ist, tut es mir leid, dass ich Ihre wertvolle Zeit in Anspruch genommen habe. Ich verzichte gerne auf Ihre Hilfe. Für mich klingt das nach einer ziemlich antiquierten und rückständigen Angelegenheit. Militärisch noch dazu. Aufgrund der Empfehlung meiner Freundin hielt ich Ihre Methoden für unkonventionell, aber progressiv. Da habe ich mich wohl geirrt. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend und eine gute Nacht.«

Das Freizeichen ertönte.

Tristan starrte den Hörer mit offenem Mund an. So etwas hatte er noch nie erlebt. Wie hatte sie seine Arbeitsweise betitelt? Als altmodisch? Dazu kam noch, dass sie das Gespräch einfach beendet hatte, ohne ihm die Gelegenheit zu einer Rechtfertigung zu gewähren.

Das bestätigte einmal mehr, dass es durchaus Sinn machte, dass sich McAlister Castle von der Emanzipation distanzierte.

Als sich Tristan an diesem Abend schlafen legte, bekam er bis weit nach Mitternacht kein Auge zu. Die glockenhelle Stimme der Fremden mit ihrem kernigen Akzent infiltrierte seine Gedanken. Als wäre dies noch nicht genug, kratzten ihre beleidigenden Worte hartnäckig an seinem highländischen Ego.